Sonnensystem

War Ceres eine Ozeanwelt?

Kruste des Zwergplaneten könnte aus einem gefrorenen "Schlammmeer" entstanden sein

Ceres
Wie viel Eis enthält die Kruste des Zwergplaneten Ceres? Und wie sah er früher aus? © NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA

Vom Meer zum Eis: Der Zwergplanet Ceres könnte von einem schlammigen Ozean bedeckt gewesen sein, wie neue Modelle nahelegen. Demnach ist die Kruste dieses größten Objekts im Asteroidengürtel viel eisreicher als gedacht. Sie könnte zu gut 90 Prozent aus Wassereis bestehen – möglicherweise dem Relikt eines einstigen Ozeans. Dies würde bisher schwer erklärbare Diskrepanzen in den Daten erklären und macht Ceres zur erdnächsten Eiswelt im Sonnensystem, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet.

Der gut 900 Kilometer große Zwergplanet Ceres ist der größte Himmelskörper im Asteroidengürtel – und ein echter Sonderling. Denn er ist nicht nur viel größer und planetenähnlicher als die anderen Asteroiden, auch seine Zusammensetzung überrascht: Ceres‘ Kruste enthält ungewöhnlich viel Wassereis und Salze. Sogar Eisvulkane könnte es auf dem Zwergplaneten geben – obwohl Objekte im Asteroidengürtel meist extrem trocken und wasserarm sind.

Raumsonde Dawn und Ceres
Die NASA-Raumsonde Dawn lieferte widersprüchliche Daten zur Kruste von Ceres. © NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA

Doch wie viel Wassereis enthält die Kruste von Ceres? Messdaten der Raumsonde Dawn legten nahe, dass seine Krustendichte nahe an der von Wassereis liegt. Demgegenüber sind die vielen Einschlagskrater auf Ceres‘ Oberfläche aber kaum verformt. Würde sie jedoch aus Eis bestehen, müsste sie sich bei den Temperaturen auf Ceres plastisch verformen und abflachen. Das aber ist nicht der Fall, wie die Dawn-Aufnahmen zeigten. Deshalb nahm man bisher an, dass die Kruste von Ceres nicht mehr als 30 oder 40 Prozent Wassereis enthalten kann. Aber wie ist dies mit den chemischen Daten vereinbar?

Ceres‘ Kruste in drei Varianten

Um diese Diskrepanzen aufzuklären, haben Ian Pamerleau von der Purdue University in Indiana und seine Kollegen die Beschaffenheit der Ceres-Kruste und ihr Fließverhalten in drei physikalischen Modellen rekonstruiert. In der ersten Variante besteht die Ceres-Kruste aus 90 Prozent Wassereis mit Beimischungen von Staub und Salzen. In der zweiten liegt eine 20 Kilometer dicke Eisschicht auf einer eisarmen Unterlage – ein Fall, der geophysikalisch als eher unwahrscheinlich gilt, wie die Forscher erklären. Im dritten Fall nimmt der Eisgehalt der Kruste von 90 Prozent an der Oberfläche graduell bis auf null Prozent in 117 Kilometer Tiefe ab.

Ceres-Krustenmodelle
Diese drei Varianten des Krustenaufbaus von Ceres haben die Forscher getestet. © Pamerleau et al./ Nature Astronomy, CC-by-nc-nd 4.0

Das überraschende Ergebnis: Selbst bei einem Wassereis-Anteil von 90 Prozent verformt sich die Oberfläche weniger stark als zuvor angenommen. „Einfache Krater von rund zwölf Kilometer Durchmesser bleiben unter allen drei Szenarien nahezu unverändert, solange das Eis mindestens sechs Prozent Unreinheiten enthält“, berichten Pamerleau und sein Team. „Komplexe Krater von mehr als 40 Kilometer Größe erfahren in mittleren und hohen Breiten des Ceres selbst nach einer Milliarde Jahren nur wenig Deformation.“

Bis zu 90 Prozent Eis an der Oberfläche

„Diese Resultate weichen stark von früheren Arbeiten ab, nach denen selbst einfache Krater in einer eisreichen Kruste schnell verschwinden müssten“, erklären die Wissenschaftler. Stattdessen enthüllten ihre Modelle, dass „schmutziges Eis“ mit wenigen Prozent Staub und Gestein weit beständiger ist als gedacht. Als besonders stabil erwies sich dabei die Krustenvariante mit einem allmählich nach innen hin abnehmenden Eisgehalt. Selbst am Ceres-Äquator flachten sich große Krater in diesem Szenario um weniger als 20 Prozent ab.

Damit könnten Pamerleau und seine Kollegen die Widersprüche zwischen den Krusten-Messdaten und den seltsam beständigen Kratern auf Ceres gelöst haben. „Wir erhalten damit einen eisreichen Ceres, der trotzdem zu dem beobachteten Kraterverhalten passt“, erklärt Pamerleau. Sein Kollege Mike Sori ergänzt: „Wir glauben, dass es an der Oberfläche von Ceres jede Menge Wassereis gibt und dass die Kruste nach unten hin dann immer eisärmer wird.“ Dies könnte auch die Eisvulkane und Salzaustritte an der Oberfläche des Zwergplaneten erklären.

Ceres hatte einen „schlammigen“ Ozean

Das Spannende jedoch: Sollte sich diese Struktur bestätigen, dann wirft dies auch ein ganz neues Licht auf die interne Struktur des Ceres und seine vergangene Entwicklung. „Unserer Ansicht nach muss Ceres einst eine Wasserwelt wie der Jupitermond Europa gewesen sein – aber mit einem schmutzigen, schlammigen Ozean“, sagt Sori. „Als dann dieser Ozean mit der Zeit gefror, erzeugte dies eine eisige Kruste mit einem kleinen Anteil darunter gemischten Gesteinsmaterial.“

Damit könnte der Zwergplanet Ceres sogar der erdnächste eishaltige Himmelskörper sein – weit näher als die Eismonde des äußeren Sonnensystems. „Wenn wir Recht haben, dann haben wir einen extraterrestrischen gefrorenen Ozean nahe an der Erde“, sagt Sori. „Ceres ist damit die für uns zugänglichste Eiswelt im gesamten Kosmos.“ Das mache den Zwergplaneten zu einem spannenden Ziel für künftige Raumfahrtmissionen.

Anders als bei Europa und anderen Monden mit subglazialen Ozeanen liegen die gefrorenen Reste von Ceres Meer direkt an der Oberfläche. „Wir könnten daher ohne große Schwierigkeiten Proben von einer urzeitlichen Ozeanwelt nehmen und untersuchen“, erklärt Sori. (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-024-02350-4)

Quelle: Nature Astronomy, Purdue University

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Staubscheibe der Vega

Berühmter Stern verblüfft Astronomen

Erster Test für Energiespeicher am Meeresgrund

Tigerpythons mit Riesenmaul

Frauenherzen ticken anders

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Im Fokus: Sonnensystem - Eine Reise durch unsere kosmische Heimat Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Das NASA-Archiv: 60 Jahre im All - von Piers Bizony, Roger Launius, Andrew Chaikin

Top-Clicks der Woche